Testnacht im Zelt

Die erste Nacht in unserer Behausung.

Wolken jagen über den Himmel. Es weht ein schneidiger Wind und die Temperatur bewegt sich um die 5°C Celsius. Am Vormittag hat es geregnet und für die Nacht ist anhaltender Regen und Sturm angesagt. Die Stimmung ist düster, man möchte sich am Liebsten mit einer warmen Decke auf dem Sofa verkriechen. Der nächste Schauer wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Perfekte Bedingungen zum Zelten!
Wir bauen unser Zelt im Garten unserer Nachbarinnen auf. Es ist ein erstklassiges Tunnelzelt eines bekannten schwedischen Herstellers, nur dass es schon ein paar Jährchen auf dem wettergegerbten Buckel hat. Das leuchtende Feuerwehrrot des Aussenzeltes hat sich während vieler Sonnenstunden zu einem Blassrosa gewandelt. Der Boden wurde bereits mit Kleber geflickt. Es handelt sich um ein ausgemustertes Ausstellungszelt meines Arbeitgebers, eine grosszügige Leihgabe aus dem Laden, in dem ich angestellt bin. Aber ist es überhaupt noch dicht? Ist es den Herausforderungen unserer Reise noch gewachsen? Vielleicht finden wir es diese Nacht heraus.
Bevor wir uns im Zelt einrichten, erfüllen wir uns den Sofawunsch. Zusammen mit unseren Nachbarinnen Tanja und Lou flegeln wir uns auf das Sofa und schauen einen Film. Während der Hobbit gegen die Trolle kämpft, steht unsere Behausung trotzig in Dunkelheit und Wind. Wenn man an der Leinwand vorbei blickt, sieht man draussen seine Umrisse. Es ist fast so als wollte es sagen, mit dem bisschen Wetter werde ich noch lange fertig.

Das wird es auch. Als wir am Morgen aus unseren Schlafsäcken kriechen, sind wir trotz starkem Wind und Regen vollständig trocken geblieben. Ich rüttle anerkennend am Gestänge, dass die Tropfen nach allen Seiten spritzen. You are in! Wie mag es sich wohl anfühlen, nach all diesen Zeltausstellungen endlich auf eine richtige Reise zu gehen?

Beim Abbauen üben wir, die Gelegenheit ist günstig, das “Stormpacking”, Einpacken des Zeltes bei Sturm. Wir machen alles streng nach Lehrbuch, das Zelt wird von hinten angefangen in den Sack gestopft, immer schön zwischen den Beinen, die letzten beiden Heringe kommen erst ganz zum Schluss raus. So besteht in keinem Moment die Gefahr, dass das Zelt vom Wind davon geblasen wird. Bevor wir ganz fertig sind fliegen uns dafür die Matten um die Ohren, wir haben sie einfach nebenan an die Gartengarnitur gelehnt. Anfängerfehler! Lachend fangen wir sie wieder ein.