Mitternachtssonne

Was, sie steigt schon wieder?

Je mehr der Abend voranschreitet, desto mehr füllt sich das Gelände. Reisebusse kommen reihenweise und spucken Menschen aus. The best weather so far, höre ich einen Barmann sagen, until now we had a lot bad weather or fog! Heute werden die Bussfahrer aus dem Bezirk eine Extraschicht einlegen müssen. Das Wetter ist prachtvoll. Es ist völlig klar, bis auf ein paar dünne Wolkenstreifen, die sich wie die perfekt arrangierte Garnitur quer von Norden nach Osten über den Himmel ziehen. Bald herrscht Volksfeststimmung. Ruedi aus der Schweiz packt sein Alphorn aus und spielt ein Ständchen. Rundherum das Klicken von Kameras, Selfiesticks ragen in den Himmel, ein paar professionelle Fotografen verkaufen Aufnahmen „mit Sonne und Kugel“. Über uns kreist eine Drohne und ein Helikopter.

Und doch berührt mich der Anblick. Keine Frage, lieber sässe ich jetzt alleine auf der Nachbarhalbinsel, Jahrmarktrummel war noch niemals meine Sache. Aber der Anblick ist beeindruckend, die Sonne, die einfach nicht untergeht, die Silhoutten all der Menschen, die in den verschiedensten Sprachen sprechen, die Weite des Meeres, in dem sich die Sonne spiegelt, im Hintergrund.

Sie steigt schon wieder? Ich hatte gedacht, die Sonne würde mindestens am Horizont kratzen. Aber es wird bereits wieder heller, und die Sonne war noch ein ziemliches Stück vom Horizont entfernt! Und bereits strömen viele Menschen wieder den Ausgängen zu, wo sie gruppenweise in die wartenden Reisebusse verladen werden.
Wendelin und ich essen noch gemütlich eine Waffel, dann machen wir uns auf den Weg. Es ist halb zwei Uhr morgens, und doch ist es hell. Das Licht ist magisch, wie ein nicht enden wollender Sonnenuntergang. Oder Sonnenaufgang. Oder eine Mischung aus beidem. Die 13 km lange Fahrradfahrt zurück zum Campingplatz fühlt sich an wie ein Traum.