Kaltfront

Achterbahn auf 3000 Fuss.

Fliegen ist eine komplexe Sache. Das wird mir bewusst, als wir am Sonntagabend in Leknes über die weitere Flugroute diskutieren. Eine Kaltfront, die uns morgen erreichen wird, bereitet uns Kopfzerbrechen. Sollen wir in Richtung Trondheim oder Östersund weiter? Schaffen wir einen Marathon von 12 Stunden nach Aarhus in Dänemark, um der Front zu entkommen?
Dann der Treibstoff. Nach 2-3 Flugstunden müssen wir auftanken. Flughafen A hat nicht das richtige Benzin, Flughafen B akzeptiert keine Kreditkartenzahlung, Flughafen C wäre ein zu grosser Umweg. Flughafen D wäre perfekt. Leider hat er nicht offen, wenn wir ankommen. In der einen Richtung ist die Wolkenbasis zu tief um darunter zu fliegen, in der anderen ist die Wolkenobergrenze zu hoch, um darüber zu fliegen.
Ich geh jetzt eine rauchen, sagt Michi zu Fabian und steht auf. Es klingt ziemlich genervt. Sag mir Bescheid, wenn du einen Vorschlag hast!

Am nächsten Morgen ist ein Plan gereift. Wir fliegen nach Östersund, welches wir noch vor der Front erreichen sollten, lassen die Front über uns hinwegziehen und fliegen ihr am nächsten Tag hinterher, in der Hoffnung, dass sie sich nirgends festsetzt.
Bald nach dem Start steigen wir über die erste Wolkenschicht und fliegen knapp darüber in Richtung Südosten. Nicht allzu lange, und es baut sich eine eindrucksvolle Wolkenmauer wie eine senkrechte Wand vor uns auf. Eine vorgelagerte Kaltfront zu der eigentlichen, welche wir momentan noch im Rücken haben. Drüber können wir nicht, durch schon gar nicht, was übrigbleibt ist einen Weg unter die Wolkenbasis zu suchen – oder umzukehren.
Links von uns befindet sich ein kleines Wolkenloch. Jetzt wird es etwas turbulent, meldet Michi durch das Headset und lenkt die Piper in einer steilen Spirale durch die Öffnung. Wir sinken mit 1500 Fuss pro Minute, wir fahren Achterbahn, es hebt mir den Magen aus den Angeln.

Das hat Spass gemacht, sagt Wendelin als wir aus dem Flugzeug klettern. Östersunds Flugplatz liegt auf der Insel Frösön. Vor 3 Jahren war ich hier zu Besuch bei einem schwedischen Zelthersteller. Ich kontaktiere Christian, den Sales Manager, vielleicht hat Lust auf einen Kaffee? Leider arbeitet er seit 1. Juli nicht mehr bei der Firma.
Den Abend verbringen wir auf einem Musikfestival im Zentrum von Östersund. Regen prasselt auf den grossen gelben Sonnenschirm, unter dem wir es uns bequem gemacht haben. Zusammen mit dem Sound von den drei Bands aus den umliegenden Bierzelten mischt sich das Rauschen des Regens zu einer eigentümlichen Geräuschcollage. Die Kaltfront ist da – bis jetzt ist unsere Strategie aufgegangen.