Wir haben es geschafft!

71 Grad, 10 Minuten und 21 Sekunden.

Wir haben es geschafft! 71°10‘21‘‘ - das Nordkap. Die letzten 13 km vom letzten Campingplatz vor dem Nordkap hatten es in sich, sowohl emotional als auch vom Gelände her. Jetzt sind wir da, stehen an der grossen, schwarzen Meridiankugel, blicken ins Nordmeer hinaus, bis zu dem Punkt an dem Meer und Himmel in einem unscharfen Streifen ineinander übergehen. Erst mal weiss ich nicht so genau, was ich mit mir anfangen soll. Schliesslich machen wir das, was alle machen - Fotos. Danach schauen wir uns im Visitors Center um, essen Waffeln mit Schlagrahm und Erdbeermarmelade. Ich fühle eine Leere in mir. In meiner Vorstellung habe ich mir die Ankunft als heroischen Moment vorgestellt, wir fahren mit Pauken und Trompeten an die Kugel heran, schmeissen die Velos auf den Boden und schreien unser Glück in den offenen Himmel!
Und jetzt sind wir einfach da. Erleichtert vielleicht, auch ein bisschen froh. Stolz, ja, auch. Aber irgendwie auch leer, ratlos. Es ist, als ob das grosse Glück erst in mir wachsen müsste. Als wäre es noch ein paar Kilometer hinter mir und müsste erst ankommen. Tief in mir drin jedoch spüre ich eine Wärme, die sich langsam ausbreitet. Wir haben beschlossen, bis zur Mitternachtssonne hierzubleiben und danach, wenn die Sonne wieder zu steigen beginnt, zu unserem Campingplatz zurückzufahren. Das heisst, wir werden noch einige Stunden hier sein. Ich bin froh über diese Zeit des Nichts-Tuns.

Die Einzigen sind wir hier logischerweise nicht. Auch nicht die einzigen Fahrradfahrer. Ein älteres Paar aus Biel, der Mann mit dem Handbike. Respekt! Und ein Paar aus der Nähe von Lyon, die beiden haben wir bereits am Abend vorher am Campingplatz kennengelernt. Wir gratulieren uns gegenseitig. Wendelin erntet grosse Anerkennung für seine Leistung. Zu Recht!
Der grosse Parkplatz ähnelt einer Wohnmobilausstellung, vor dem Ticketschalter hatte sich vorher, als wir ankamen, bereits eine lange Schlange gebildet. Ein Ticket für einen Erwachsenen kostet 285 Kronen (30 Euro). Als wir an der Reihe waren, wurden wir einfach durchgewunken. Just go through, sagte die Frau am Schalter lächelnd.

Eine Strophe aus dem Lied „We are the Champions“ von Queen geht mir durch den Kopf.

It‘s been no bed of roses
No pleasure cruise
I consider it a challenge before the whole human race
And I ain‘t gonna loose

Da ist er wieder, mein Hang zum Pathos. Ein bisschen viel Drama, ich weiss. Besonders das mit der ganzen menschlichen Rasse und so. Aber eine Herausforderung war es, wenn auch nur vor uns selbst. Es war nicht immer leicht. Trotzdem haben wir es geschafft! Sei‘s drum. We are the champions!