Die letzte Stuga

Die Götter sind uns gnädig.

Zum Frühstück gibt es finnische Fleischpastete mit Käsekuchen. Ein Finne und seine Frau haben auf dem Weg nach Pajala bei uns haltgemacht, haben Kissen und Tischdecke ausgepackt und mich kurzerhand eingeladen. Wendelin hat sich im Schlafsack verkrochen und liegt unter dem Dach des Unterstands. Von ihm hört und sieht man nichts. Kein Wunder, es ist ziemlich kalt, vielleicht um die fünf Grad. Die ganze Nacht hat es geregnet. Gemütlich ist anders.
Ich schenke mir Kaffee nach. Letztes Jahr hatte es 2 Monate lang über 25 Grad, erzählt der Finne, und jetzt das. Welche Version ist die normale, will ich wissen. Der Finne wackelt mit dem Kopf. Irgendetwas dazwischen. Nicht so kalt wie jetzt. In Pajala ist heute und morgen der grosse jährliche Handwerksmarkt, 40.000 Besucher werden erwartet. Die beiden Finnen sind auf dem Weg dorthin. Ich beisse mir auf die Lippen. Wir wollten heute Abend in Pajala eine Stuga mieten, um unsere Sachen zu trocknen. Ob da bei 40.000 Besuchern eine frei ist, ist mehr als fraglich.
Wendelin ist nicht ganz heute nicht ganz fit. Der Arme tut mir richtig leid. Mit Müh und Not habe ich ihn aus dem Schlafsack bekommen, wir müssen viele Pausen machen und kommen langsam vorwärts. Es regnet ohne Unterlass. Unsere Kleider sind nass und klamm. Aber wir müssen weiter. Ich bete um eine Stuga. Heute Nacht das nasse Zelt aufbauen und in feuchte Schlafsäcke kriechen, das wäre die absolute Härte.
Irgendwann fange ich an zu singen. Jetzt erst recht!
Alles besetzt, sagt der Mann an der Rezeption. Ich schliesse kurz die Augen. Nein, Moment, sagt der Mann, Nummer 2 ist noch frei!
Die letzte Stuga! Ich kann unser Glück kaum fassen. Es ist fast wie Weihnachten. Danke, ihr Schicksalsmächte! Jubelnd ziehen wir ein. Heizung hochdrehen, Wäscheleine spannen, eine Heisse Tasse Beerensaft und die Welt ist wieder in Ordnung.
Abends in der Sauna treffe ich ein paar Finnen. Wir waren schon lange nicht mehr in der Sauna, sagt der eine, bestimmt schon eine Woche nicht mehr. Ja, sagt der andere grinsend, normal gehen wir einmal pro Tag. Einmal? Der erste hebt die Augenbrauen. Okay, eher zweimal, sagt der andere und schüttet aus eineinhalb Metern Entfernung eine Kelle Wasser auf den Ofen. Die Aufgüsse folgen im 30-Sekunden-Takt. Sauna auf finnisch. Mit weichen Knien kehre ich in die Stuga zurück, wo Wendelin zufrieden am Lesen ist.